Mit Karacho gegen Fluglärm

Meine Forschung kann allen Anwohnern Hoffnung machen, dass sich ihre Situation verbessert.

Lars Enghardt

Prof. Dr. Lars Enghardt

Triebwerksakustiker

Beim Start dominiert das Triebwerk

Im Interview beschreibt Triebwerksakustiker Prof. Lars Enghardt, wo die entscheidenen Lärmquellen eines Flugzeuges sitzen und wie sie sich reduzieren lassen. Er selbst konzentriert sich auf eine faszinierende Methode: Zusätzlicher Schall neutralisiert Störgeräusche.

Frage: Herr Prof. Enghardt, Sie leiten die Abteilung für Triebwerksakustik und haben sich schon in Ihrer Promotion mit Akustik befasst. Woher kommt Ihr Interesse an Geräuschen?

Prof. Enghardt: Ich habe Physik studiert und war von Anfang an mehr von der Anwendung als von der Theorie fasziniert. Da liegt die Akustik als Teil der angewandten Physik nahe. Man nimmt Geräusche wahr und bemerkt auch sofort, wenn etwas leiser wird.

Letzteres wollen Sie nun in der Luftfahrt erreichen. Warum machen Flugzeuge eigentlich Lärm?

Wir unterscheiden zwei wesentliche Lärmquellen: zum einen jene im und am Triebwerk, zum anderen die so genannten Umströmungslärmquellen, die den Rest des Flugzeugs betreffen. Entscheidend – vor allem für Anwohner – sind vorrangig Start und Landung. Beim Start dominiert das Triebwerk, weil es fast mit Vollschub betrieben wird. Um den Start eines Flugzeugs leiser zu bekommen, muss man also an den Triebwerken arbeiten. Bei der Landung laufen sie wesentlich langsamer, dafür haben wir andere Lärmquellen wie die von Luft umströmten Fahrwerke und Klappensysteme. Verwirbelungen der Luft in Folge von Umströmungen erzeugen dabei Breitbandlärm und Töne wie Pfeifen und Rauschen.

Das Testgebiet

Lärmforschung unter Laborbedingungen: In der so genannten Luftberuhigungskammer stellen die DLR-Triebwerksforscher um Prof. Enghardt optimale und für einzelne Versuche vergleichbare Bedingungen sicher © DLR

In Triebwerken sind Schalldämpfer eingebaut

Wie lassen sich Flugzeuge leiser machen?

Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Maßnahmen: lärmarmes Design, Dämmung oder Dämpfung und schließlich aktive Lärmminderung. Als erstes sollte man schauen, was durch Veränderungen am Design zu erreichen ist. Dabei baut man entweder ein Teil komplett neu oder nimmt an einem bestehenden Bauteil kleine Änderungen vor, um Lärmabstrahlung zu vermindern. Die Herausforderung dabei ist es herauszufinden, wo die Lärmquellen überhaupt liegen und welchen Lärm sie erzeugen. Ein Beispiel sind die kleinen Klappen vor den Flügeln, die "Slats": Wenn sie ausfahren, bilden sich kleine Vertiefungen, die von der Luft überströmt werden und unter bestimmten Bedingungen pfeifen. Das ist grob vergleichbar mit dem Pusten über eine halbleere Bierflasche, das ebenfalls ein strömungsinduziertes Geräusch erzeugt. Wenn Sie die Flasche schließen, entfällt dieses Geräusch. Bei Flugzeugen muss man versuchen, die Vertiefungen möglichst zu vermeiden oder deren Größe anzupassen. Kleinere Vertiefungen machen höhere Töne, die in der Luft stärker gedämpft werden.

Wieso baut man dann nicht einfach jedes Teil so, dass möglichst keine Geräusche entstehen?

Weil viele technische Randbedingungen einzuhalten sind. Ein Fahrwerk zum Beispeil lässt sich nicht nach Belieben ändern, es muss seine wesentlichen Funktionen erfüllen. Der Kompromiss ist der ständige Begleiter eines Akustikingenieurs.

Braucht man deshalb auch andere Methoden, wie die Dämpfung?

Genau. In Triebwerken sind an allen Ecken und Enden so genannten Resonatoren oder Schalldämpfer eingebaut. Sie sorgen dafür, dass der Schall auf dem Weg vom Inneren des Triebwerks zum Ohr des Flughafenanwohners gedämpft wird. Das geht natürlich bei den Klappensystemen nicht so gut, hier sind die Designmaßnahmen überlegen.


Ein Triebwerk am A350 - eines der modernsten und leisesten Triebwerke, die derzeit bei kommerziellen Flugzeugen eingesetzt werden

Schallwellen überlagern

Sie aber konzentrieren sich auf eine dritte Maßnahme.

Ja, auf das faszinierende Feld der aktiven Lärmminderung. Es ist insofern das modernere Feld, als es bislang noch nicht in Triebwerken umgesetzt wurde.

Anderswo aber schon?

Das bekannteste Beispiel ist der aktive Kopfhörer. Er gewährleistet zum einen Musikgenuss und unterdrückt zum anderen Umgebungsgeräusche aktiv. Auch hier gibt es passive Dämpfung durch Muscheln auf dem Ohr. Zusätzlich werden aber die Außengeräusche zunächst aufgezeichnet, dann durch einen kleinen Controller geschickt und schließlich etwas zeitverzögert wieder in den Innenraum gegeben. Dadurch überlagern sich die beiden Schallfelder so, dass es leiser wird.

Wieso wird es leiser, wenn ich zusätzliche Geräusche erzeuge?

Das Prinzip ist sehr simpel. Ein Beispiel: Viele Kinder werfen Steine in den See und beobachten, wie sich um den Stein runde Wellen ausbreiten. Wenn Sie einen zweiten Stein dazuwerfen, laufen die beiden Wellenfronten aufeinander zu. Wenn diese Wellen ineinander laufen, kommt an bestimmten Stellen eine größere Welle heraus – dann haben sich die Wellen konstruktiv überlagert, sie haben sich addiert. Aber es gibt auch Stellen, wo sie übereinander laufen und nichts mehr übrig bleibt. Da auch Schall sich in der Luft in Wellenform ausbreitet, möchten wir die Schallwellen mit neuen so überlagern, dass sich eine Auslöschung ergibt und wir weniger Lärm nach draußen lassen.

Und wie schaffen Sie das bei einem Flugzeug?
Es müssen verschiedene Randbedingungen erfüllt sein. Erstens muss ich die Frequenz und Klangcharakteristik des störenden Geräusches nachbilden. Dann muss ich mich in räumlicher Nähe befinden, vom Boden aus geht das nicht. Wichtig ist auch eine räumliche Begrenzung. In einem Triebwerk breitet sich der Schall im Inneren aus, bevor er austritt. Dieser recht definierte Hohlraum ist unsere Chance: Wir können versuchen, mit einer Technologie ein Gegenschallfeld hineinzubringen.

Enge Kooperation mit Triebwerksherstellern

Würde das System die Leistung des Flugzeugs beeinflussen?

Wir rechnen mit einer Leistungseinbuße von etwa einem Prozent, allerdings nur für die sehr begrenzte Zeit von Start und Landung.

Und wie stark können Sie den Fluglärm mindern?

Unser System zielt auf jenen Schall im Triebwerk, der sich periodisch wiederholt. Das sind die Töne, also das Pfeifen, die als sehr viel lästiger wahrgenommen werden als das unregelmäßig schwankende Rauschen. Diese lästigen Töne aus dem Triebwerk könnten wir um 50 Prozent reduzieren.

Wann könnte diese Technik in Serie gehen?

Wir kooperieren eng mit Triebwerksherstellern wie Rolls-Royce und MTU, aber auch mit dem Forschungszentrum von Airbus. Wir zielen auf die Flugzeuge im Massenmarkt ab, also die A320-Familie oder die Boeing 737-Familie, die etwa 90 Prozent der Starts und Landungen machen. Nun hängt es davon ab, ob einer der Triebwerkshersteller auf diese Technik aufspringt.

Wie schätzen Sie die Chancen dafür ein?

Die Relevanz der Akustik hat stark zugenommen, weil die Lautstärke von startenden und landenden Fliegern zum Teil darüber entscheidet, ob die Flugzeuge in den Tagesrandzeiten noch einen weiteren Durchlauf machen dürfen. Das ist wirtschaftlich ein wichtiger Faktor. Ob ein Kurzstreckenflieger am Tag fünf oder sechs Durchläufe bekommt, kann für die Airline über Gewinn oder Verlust entscheiden. Außerdem denke ich, dass man es irgendwann nicht nur bei uns, sondern überall auf der Welt zu schätzen wissen wird, wenn Flugzeuge nicht nur innen leise sind, sondern auch außen.

Also dürfen die Anwohner auf mehr Ruhe hoffen?

Ich bin überzeugt, dass meine Forschung allen Anwohnern Hoffnung machen kann, dass sich ihre Situation verbessert.

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