"Die Nachfrage übersteigt das Angebot"

Mehr Luftfrachtverkehr am Flughafen München

Markus Heinelt verantwortet die Verkehrsentwicklung des Cargo-Bereichs am Flughafen München und steht in engem Kontakt mit Airlines, Logistikunternehmen, Industrie und Verbänden, um das Frachtgeschäft am Münchner Flughafen voranzubringen. Im Interview spricht er über eine neue Linienverbindung nach Istanbul, die Entwicklung von Cargo während Corona und die Bedeutung der Luftfracht für die Region.


In unserem Einzugsgebiet sind viele erfolgreiche Global Player und Marktführer aus den Bereichen Automobilindustrie, Elektronik, Medizintechnik, Biotechnologie sowie der Luft- und Raumfahrt angesiedelt, die auf effiziente Transportwege zu Zielen in aller Welt angewiesen sind.

Portrait Markus Heinelt

Markus Heinelt

Verkehrsentwicklung des Cargo-Bereichs

Herr Heinelt, Turkish Airlines Cargo hat eine neue, wöchentliche Linien-Frachtverbindung zwischen München und Istanbul aufgenommen. Was wird da transportiert?

Die Airline setzt derzeit Frachtmaschinen vom Typ Airbus 310 ein. Je nach Auslastung und Art der Güter kann sie bis etwa 40 Tonnen transportieren. Im Export werden unter anderem hochwertige Maschinen und pharmazeutische Artikel an Bord sein. Die ankommenden Flüge dürften auch Kartonware, beispielsweise Textilien, enthalten, die über Istanbul zum Beispiel aus China und Indien kommt.

Welche Rolle spielt die neue Strecke für das Cargo-Geschäft in München?

Ein Flug pro Woche bedeutet noch keine riesige Kapazitätserhöhung. Aber erstens ist es geplant, dass die Frequenz auf dieser Strecke bald erhöht wird. Und zweitens konnten wir mit Turkish Airlines (TK) Cargo eine renommierte, stark wachsende Airline gewinnen, die einen positiven Impuls setzt. Daraus entsteht eine Sogwirkung: Wenn Spediteure Fracht für die neue Verbindung nach München steuern, nehmen sie sehr wahrscheinlich auch Tonnage für andere Flüge mit.

Wer profitiert, abgesehen vom Flughafen, von der neuen Verbindung?

In unserem Einzugsgebiet sind viele erfolgreiche Global Player und Marktführer aus den Bereichen Automobilindustrie, Elektronik, Medizintechnik, Biotechnologie sowie der Luft- und Raumfahrt angesiedelt, die auf effiziente Transportwege zu Zielen in aller Welt angewiesen sind. Außerdem profitieren die vielen Speditionsunternehmen hier am Standort. Sie alle können darüber hinaus nun auch größere Frachtstücke in die Türkei oder zu anderen Zielen der TK Cargo schicken.

Inwiefern?

Zuvor war nur Beifracht im so genannten Belly möglich, also im Bauch von Passagiermaschinen. Der lässt sich bis zu 1,60 Meter Höhe beladen. Auf dem Hauptdeck der Cargo-Maschine beträgt die Ladehöhe 2,40 Meter.

Wie viele Frachtverbindungen gibt es insgesamt in München?

Wir verzeichnen aktuell pro Woche rund 90 Starts und Landungen von Maschinen, die nur Fracht transportieren – das sind so viele wie noch nie. Darunter sind inzwischen auch Airlines wie die TUI, die wegen Corona nun statt Urlaubern Autoteile an Bord haben.

Wie hat sich das gesamte Frachtgeschäft im Zuge von Corona entwickelt?

Weil viel weniger Passagiermaschinen unterwegs sind, die ja immer auch Beiladefracht an Bord nehmen, ist das gesamte Frachtaufkommen in München zwischen 2019 und 2020 um rund 55 Prozent zurückgegangen: auf rund 153.000 Tonnen im Jahr 2020. Die Nachfrage nach Transportleistungen steigt seit dem vergangenen Herbst wieder kontinuierlich. Deshalb wuchs die auf reinen Frachtflugzeugen transportierte Tonnage um fast zehn Prozent auf 50.253 Tonnen. Sie machte 2020 35 Prozent der gesamten Fracht in München aus, gegenüber 14 Prozent im Vorjahr. In den Monaten Januar bis April 2021 liegt der Anteil sogar bei 56 Prozent.

Wieso ist das Münchner Cargo-Drehkreuz so gefragt?

Sehr viele Unternehmen aus Bayern und Baden-Württemberg sparen Zeit und Geld, wenn Sie Luftfracht über München transportieren können. Das Einzugsgebiet reicht bis Österreich und Norditalien. Und die Bevölkerung der Region kommt auf schnellstmöglichem Weg an wichtige Güter wie pharmazeutische Sendungen oder, während Corona, Schutzausrüstungen.

Über 145.000 Tonnen Luftfracht wurden im Jahr 2020 am Flughafen München umgeschlagen

Welche Rolle spielen medizinische Produkte grundsätzlich für das Münchner Frachtgeschäft?

Das ist ein wichtiges Thema. Wir erfüllen als einer von wenigen Flughäfen die wichtigsten Standards für Lagerung und Umschlag temperaturempfindlicher, pharmazeutischer Produkte. Auch Turkish Cargo ist übrigens als Pharma-Airline zertifiziert, so dass die neue Verbindung auch in dieser Hinsicht gut passt.

Wie wird sich das Frachtgeschäft weiter entwickeln?

Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Wegen Corona herrscht aber nach wie vor großer Mangel an Belly-Kapazitäten. Deshalb hoffen wir, dass der Passagierverkehr auf der Langstrecke bald ansteigt, denn an und für sich boomt die Luftfracht, und wir brauchen deshalb diese Kapazitäten. Richtung Nordamerika sehen wir hier gerade eine starke Entwicklung. Außerdem arbeiten wir im Verbund mit den Logistikunternehmen daran, weitere neue Frachtverbindungen nach München zu holen.

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